Nachholbedarf bei evidenzbasierter Gesundheitsversorgung

von | Okt. 20, 2025 | Forschung, Gesundheit

Anlässlich des Welttags der evidenzbasierten Gesundheitsversorgung am 20. Oktober 2025 weist Cochrane Deutschland auf Defizite in der deutschen Patientenversorgung hin. Patienten haben Anspruch auf Behandlungen basierend auf vertrauenswürdiger wissenschaftlicher Evidenz, also dem besten verfügbaren Wissensstand. Dies sei jedoch nicht immer gewährleistet.

Vor dem Hintergrund des Milliardendefizits der gesetzlichen Krankenkassen gewinne eine evidenzbasierte Versorgung an Bedeutung. Knappen Ressourcen sollten für Therapien und Untersuchungen eingesetzt werden, die nachweislich am effektivsten sind. Das erfordere Klarheit darüber, was wirkt und was nicht.

Symbolbild. Credits: Pixabay
Symbolbild. Credits: Pixabay

Im Praxisalltag begegnen Mediziner, Pflegekräfte und anderes Personal jedoch Hindernissen bei der Anwendung aktueller wissenschaftlicher Erkenntnisse. Der Zugang zum besten Wissen gestaltet sich aus verschiedenen Gründen kompliziert.

Eine erste Hürde besteht Cochrane zufolge darin, dass das weltweit aktuelle Wissen zu Medizin und Gesundheit oft nicht zentral verfügbar ist, sondern in zahlreichen Einzelstudien verstreut liegt. Diese müssen in systematischen Evidenzsynthesen gesammelt, bewertet und zusammengefasst werden. Solche Arbeiten erfordern Experten, Zeit und Mittel. Daher plädiert Cochrane Deutschland für mehr öffentliche Förderung, um hochwertige Synthesen für relevante Fragen zu ermöglichen. Ohne diese fehle die Basis für verlässliche Leitlinien und somit für eine evidenzbasierte Versorgung.

Eine zweite Herausforderung ergibt sich laut Papier aus der Nichtveröffentlichung eines erheblichen Teils klinischer Studien weltweit. Das verschwendet nicht nur Forschungsgelder, sondern verzerrt auch die Faktenlage. Cochrane Deutschland fordert eine verpflichtende Registrierung neuer Studien vor Beginn und eine zeitnahe Publikation der Ergebnisse. Verbindliche Regelungen mit Überprüfung seien notwendig, um Forschung effizienter zu gestalten und das öffentliche Vertrauen in die Wissenschaft zu stärken.

Selbst bei vorhandenen verlässlichen, unabhängigen Informationen zu Gesundheitsthemen sind diese oft nicht frei zugänglich oder leicht verständlich. Für jede relevante medizinische Frage sollten niedrigschwellige Patienteninformationen, kompakte Zusammenfassungen für Politiker sowie Leitlinien und Fachartikel für Experten verfügbar sein, idealerweise kostenfrei. Heute liegen viele Fachpublikationen jedoch hinter Bezahlschranken.

Angesichts der Herausforderungen im Gesundheitswesen reiche es nicht, evidenzbasierte Informationen besser zugänglich zu machen und stärker zu nutzen. Stattdessen müssten Konsequenzen gezogen werden, etwa durch Überprüfung medizinischer Maßnahmen mit fraglichem Nutzen und ihrer Vergütung. Gesundheitspolitische Entscheidungen dürften wissenschaftliche Erkenntnisse nicht ignorieren, auch wenn Evidenz nicht das einzige Kriterium sei. Eine konsequente Berücksichtigung könne unnötige Behandlungen vermeiden, was Patienten entlaste und Kosten spare.

Der Welttag der evidenzbasierten Gesundheitsversorgung wird jährlich am 20. Oktober begangen und zielt darauf ab, das Bewusstsein für die Notwendigkeit besserer Evidenz in der Gesundheitspolitik zu schärfen. Die Kampagne 2025 steht unter dem Motto “Collaborative Knowledge Communication” und wird von Organisationen wie Cochrane, JBI, der Campbell Collaboration und dem Guidelines International Network getragen. Cochrane Deutschland mit Sitz in Freiburg ist Teil des internationalen Cochrane-Netzwerks, das systematische Übersichtsarbeiten zu medizinischen Fragen erstellt. Diese Cochrane Reviews fassen die globale Studienlage zusammen und bewerten deren Qualität, um eine solide Basis für Entscheidungen in Medizin und Politik zu bieten. Seit 1993 hat das Netzwerk über 9000 solcher Reviews veröffentlicht.

Original Paper:

Positionspapier | Cochrane Deutschland


VORSCHAU: Der Deutsche Kongress für Laboratoriumsmedizin (DKLM) 2025 verspricht spannende Einblicke in die Schnittstelle von Wissenschaft und klinischer Praxis. Unter dem Leitmotiv „Science for Precision Medicine“ laden die Deutsche Gesellschaft für Klinische Chemie und Laboratoriumsmedizin (DGKL) sowie der Dachverband für Technologen/-innen und Analytiker/-innen in der Medizin Deutschland e.V (DVTA) Fachleute aus Forschung, Klinik und Industrie ein, sich am 23. und 24. Oktober im Congress Center Leipzig (CCL) zu treffen. Der zweitägige Event richtet sich an Laborärzte, Biomedizinische Analytiker und Entscheidungsträger, um aktuelle Fortschritte in der Diagnostik zu diskutieren und Netzwerke zu stärken. Bereits am 22. Oktober findet die feierliche Eröffnung des Kongresses mit der Verleihung der MedLabAwards im Salles de Pologne statt.


Redaktion: X-Press Journalistenbüro GbR

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