KOMMENTAR zur GOÄ-Novelle: Bundesärztekammer vergisst Bedeutung der Labormedizin

von | Okt 1, 2024 | Allgemein, Gesundheit, Politik

Die geplante GOÄ-Novelle hat weitreichende Folgen für die Labormedizin – und letztendlich negative Auswirkungen auf die Patienten. Denn die massiven Kürzungen gerade im Beratungssegment werden der Deutschen Gesellschaft für Klinische Chemie und Laboratoriumsmedizin zufolge im Worst Case Szenario das eine oder andere Labormedizin-Institut nicht mehr wirtschaftlich arbeiten lassen können. Die Kritik der DGKL an den geplanten Änderungen zu ignorieren, wäre fatal. Der Grund: Ohne eine funktionierende Labormedizin würden auch die meisten anderen medizinischen Fachbereiche ihre Arbeit nicht mehr stemmen. Die Frage ist daher angebracht: Warum ließ die Bundesärztekammer (BÄK) die Kürzungen im Bereich der Laboratoriumsmedizin überhaupt als Kompromissvorschlag in das Gesamtpaketes einfließen?

Die geplante GOÄ-Novelle sieht massive Einschnitte bei der Labormedizin vor. Symbolbild. Credits: Pixabay
Die geplante GOÄ-Novelle sieht massive Einschnitte bei der Labormedizin vor. Symbolbild. Credits: Pixabay

Vlad Georgescu kommentiert

Zunächst die Hard Facts. Die Deutsche Gesellschaft für Klinische Chemie und Laboratoriumsmedizin (DGKL) hat auf dem Deutschen Kongress für Laboratoriumsmedizin in Bremen bereits am 26.9.2024 die geplante GOÄ-Novelle scharf kritisiert. Denn: Die Novelle sieht erhebliche Kürzungen bei der Vergütung der Labormedizin vor.

Eine Modellrechnung für eine Universitätsklinik habe gezeigt, „dass die Novelle im stationären Bereich Einbußen in Höhe von mehr als einem Viertel, im ambulanten Bereich gar von 40 Prozent bedeuten würde“.

Mit der geplanten Vergütungsstruktur würden  gerade Labore, die eine 24/7-Verfügbarkeit sicherstellen – also in Kliniken und Unikliniken – geschwächt. In der Folge drohe ein Verfall zentraler Bereiche der medizinischen Weiterentwicklung.

Fakt ist auch: Eine Schwächung der Labormedizin hätte unabsehbare Folgen für die Gesundheitsversorgung in Deutschland. Gut Zweidrittel aller Diagnosen beruhen letztlich auf Laborergebnissen. Die Labormedizin ist von zentraler Bedeutung bei der personalisierten Medizin und hat in den vergangenen Jahren massive Fortschritte in der Patientenversorgung gebracht.

Was das für Oma Erna oder Opa Berti – Name und Familienstand rein zufällig gewählt – als Patienten konkret bedeutet, lässt sich anhand einiger Beispiele aufzählen. Der Beckenbruch würd e ohne Labordiagnosen ebenso wenig operiert wie die Blutanalyse zu bestehenden Cholesterinwerten durchgeführt. Keine Krebsdiagnose wäre verlässlich, und nicht einmal die rechtzeitige Erkennung einer Blinddarmentzündung würde gesichert gelingen. Wer als Patient herausfinden möchte, wie er ohne Labormedizin dastehen würde, müsste eine Zeitmaschine nutzen – und sich irgendwo ins 16. oder 16. Jahrhundert beamen.

Zu den Fakten zählt ebenfalls, dass die Zahl der Labormediziner innerhalb der Ärzteschaft verschwindend gering ist. Auch tragen sie lediglich zu weniger als drei Prozent der gesamten Ausgaben des Gesundheitswesens bei – warum die GOÄ ausgerechnet bei dieser Gruppe den Rotstift ansetzt, bleibt daher mehr als unverständlich.

Ebenfalls vollkommen rätselhaft ist auch das Verhalten der Bundesärztekammer. Denn sie vertritt eigentlich in den GOÄ-Verhandlungen mit der PKV die Interessen aller Mediziner. Doch in der Pressemitteilung der BÄK vom 25. September findet man zwischen den Zeilen auch diesen Absatz:

“Wir haben in den vergangenen Jahren unter detailliertem Einbezug der Verbände als ärztliche Gemeinschaftsaufgabe arzteigene Bewertungen erarbeitet, die als Ausgangspunkt und Grundlage für die Preisverhandlungen mit der PKV dienten. Dass es nicht möglich ist, alle 165 Verbände auch an diesen zeitintensiven Gesprächen zur Finalisierung eines Angebotes zu beteiligen, versteht sich nach unserem Dafürhalten von selbst. Das wäre weder mit einem realistischen Zeitplan noch mit dem Charakter solcher Gespräche vereinbar gewesen”.

Die Passage lässt sich für Laien mit einem Bild übersetzen. Ein Flugzeug besteht aus 165 Bauteilen, großen und kleinen. Um Geld einzusparen, verzichtet man aus Zeitgründen auf die Schrauben – und nennt das einen Kompromissvorschlag, den man mit der Airline eingehen musste oder will.

Ich bin weder Mediziner, noch PKV-Vertreter. In erster Linie bin ich Patient. Und daher lautet meine ganz persönliche Meinung und Empfehlung an die Adresse sowohl der BÄK, als auch der PKV: Bitte überdenkt den jetzigen Kompromiss. Oder würde jemand in einen Flieger steigen, in dem auch nur eine einzige Schraube fehlt?

Vlad Georgescu ist freier Medizin und Wissenschaftsjournalist. Gemeinsam mit Marita Vollborn betreibt er seit 1994 das X-Press Journalistenbüro, das auch die redaktionellen Inhalte für MedLabPortal erstellt.

Dazu passend:

Angebot zur GOÄ sorgfältig prüfen und gemeinsam entscheiden – Bundesärztekammer (bundesaerztekammer.de)

GOÄ-Novelle: DGKL befürchtet gravierende Beeinträchtigungen der Labormedizin – MedLabPortal

Pressemitteilungen – DGKL


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