Hirn-Organoide klären Ursachen seltener Entwicklungsstörung
Ein internationales Forschungsteam hat mit Hilfe menschlicher Hirn-Organoide die Ursachen einer seltenen Mikrozephalie-Störung untersucht. Beteiligt waren das Deutsche Primatenzentrum, die Medizinische Hochschule Hannover und das Max-Planck-Institut für molekulare Zellbiologie und Genetik. Die Ergebnisse erklären, wie Mutationen in Aktin-Genen die Gehirnentwicklung beeinträchtigen.
Mikrozephalie führt zu einem zu kleinen Gehirn und tritt bei Kindern auf. Die Studie konzentriert sich auf das Baraitser-Winter-Syndrom, eine seltene Erkrankung durch Mutationen in Aktin-Genen. Aktin bildet das Zellskelett, das für Stabilität und Transport in Zellen sorgt. Veränderungen in diesem Protein stören die Teilung früher Vorläuferzellen im Gehirn, was zu einer geringeren Zellzahl und reduziertem Gehirnwachstum führt.

Die Forscher erzeugten aus Hautzellen von Patienten induzierte pluripotente Stammzellen und daraus dreidimensionale Hirn-Organoide. Diese Modelle simulieren frühe Stadien der Gehirnentwicklung. Nach 30 Tagen Wachstum waren die Organoide aus Patientenzellen um ein Viertel kleiner als Kontrollorganoide aus gesunden Spendern. Die ventrikelartigen Strukturen, in denen Vorläuferzellen Nervenzellen bilden, zeigten ebenfalls eine deutliche Verkleinerung.
Eine detaillierte Analyse der Zelltypen ergab eine Verschiebung: Der Anteil apikaler Vorläuferzellen, zentral für die Großhirnrinde, war reduziert. Stattdessen bildeten sich mehr basale Vorläuferzellen, die normalerweise später entstehen. Hochauflösende Mikroskopie deckte die Ursache auf: Die Teilung apikaler Vorläuferzellen war gestört. Normalerweise teilen sie sich senkrecht zur Oberfläche, um zwei identische Vorläuferzellen zu erzeugen. In den Patienten-Organoiden überwogen waagerechte oder schräge Teilungen, was zu weniger Selbsternuerung und mehr Umwandlung in basale Zellen führte.
Elektronenmikroskopische Aufnahmen zeigten unregelmäßige Zellformen in der Ventrikelzone mit Ausstülpungen zwischen Zellen und erhöhtem Tubulin an Verbindungsstellen. Tubulin, ein weiterer Zellskelett-Baustein, beeinflusst die Zellteilung. Diese Veränderungen reichen aus, um die Teilungsausrichtung dauerhaft zu stören, obwohl die grundlegende Zellarchitektur erhalten bleibt.
Um die Kausalität zu bestätigen, modifizierten die Forscher gesunde Stammzellen mit CRISPR/Cas9, um dieselbe Mutation einzuführen. Die resultierenden Organoide wiesen identische Defekte auf, was die Mutation als alleinige Ursache identifiziert.
Die Erkenntnisse erklären, wie genetische Veränderungen komplexe Hirnfehlbildungen verursachen. Hirn-Organoide erweisen sich als wertvolles Tool für biomedizinische Forschung. In der Diagnostik helfen die Ergebnisse, genetische Befunde besser einzuordnen. Therapeutisch könnten Medikamente, die das Zusammenspiel von Aktin und Mikrotubuli modulieren, neue Ansätze bieten, obwohl frühe fötale Prozesse eine Anwendung erschweren.
Original Paper:
Redaktion: X-Press Journalistenbüro GbR
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