Faktenbox: Die Internationalen Gesundheitsvorschriften (IGV)

Die Internationalen Gesundheitsvorschriften (IGV) sind ein völkerrechtlich bindendes Regelwerk der Weltgesundheitsorganisation (WHO), das 1969 erstmals verabschiedet und 2005 überarbeitet wurde. Sie dienen der Prävention, Bewertung und Bekämpfung von gesundheitlichen Notlagen internationaler Tragweite (Public Health Emergency of International Concern, PHEIC), wie z. B. Pandemien oder Ausbrüche von Infektionskrankheiten. Die IGV sind für 196 Vertragsstaaten verbindlich und zielen darauf ab, die grenzüberschreitende Ausbreitung von Krankheiten zu verhindern, Gesundheitsschutzmaßnahmen zu koordinieren und gleichzeitig unnötige Beeinträchtigungen des internationalen Verkehrs und Handels zu vermeiden.

Wichtige Elemente der IGV (2005) umfassen:
- Erkennung und Meldung: Staaten müssen Überwachungssysteme und Labore bereitstellen, um potenzielle Gesundheitsbedrohungen zu identifizieren und an die WHO zu melden.
- Reaktion: Koordinierte Maßnahmen bei gesundheitlichen Notlagen, z. B. durch Empfehlungen der WHO zu Reisemaßnahmen oder Lieferketten.
- Kernkapazitäten: Verpflichtung der Staaten, Kapazitäten an Grenzübergängen und nationale Anlaufstellen (in Deutschland das Gemeinsame Melde- und Lagezentrum, GMLZ) einzurichten.
- Entscheidungsschema: Ein Algorithmus zur Bewertung, ob ein Ereignis eine gesundheitliche Notlage internationaler Tragweite darstellt, z. B. bei Krankheiten wie SARS, Pocken oder Polio.
- Respekt vor Menschenrechten: Maßnahmen sollen die Würde, Menschenrechte und Grundfreiheiten der Menschen achten.
Die IGV wurden nach Gesundheitskrisen wie SARS (2003), Ebola (2014/15) und COVID-19 überarbeitet, um die globale Reaktionsfähigkeit zu verbessern. Änderungen von 2024 führen u. a. den Begriff der „pandemischen Notlage“ ein, verbessern den Prüfalgorithmus für Ausbrüche und fördern Solidarität und Gerechtigkeit zwischen Staaten.
Deutscher Referentenentwurf zur Änderung der IGV
Der deutsche Referentenentwurf zur Änderung der Internationalen Gesundheitsvorschriften vom 7. Juli 2025 (veröffentlicht vom Bundesgesundheitsministerium) dient der innerstaatlichen Umsetzung der 2024 von der WHO beschlossenen Änderungen in deutsches Recht. Er basiert auf den Beschlüssen der 77. Weltgesundheitsversammlung vom Juni 2024 und wurde am 16. Juli 2025 vom Bundeskabinett verabschiedet. Der Entwurf bedarf der Zustimmung des Bundesrates.
Inhalt des Referentenentwurfs:
Anpassung an die IGV-Änderungen von 2024: Der Entwurf verankert die aktualisierten IGV, die nach der COVID-19-Pandemie überarbeitet wurden, um schnellere und effektivere Reaktionen auf globale Gesundheitskrisen zu ermöglichen. Dazu gehören:
- Einführung der „pandemischen Notlage“ als neue Warnstufe, die es dem WHO-Generaldirektor ermöglicht, zeitlich befristete Empfehlungen auszugeben.
- Anpassung des Prüfalgorithmus, um die Erkennung und Meldung von schweren Atemwegserkrankungen unbekannter Ursache (z. B. SARS-CoV) zu beschleunigen.
- Verpflichtung der Staaten, sich bei unklaren Gesundheitsereignissen frühzeitig mit der WHO abzustimmen, falls Informationen für eine Bewertung fehlen.
Einrichtung eines Implementierungskomitees: Dieses Komitee soll die Umsetzung der IGV in den Vertragsstaaten überwachen und nachhaltiger gestalten. Staaten werden verpflichtet, die IGV-Umsetzung stärker zu priorisieren und nachzuverfolgen.
Förderung von Solidarität und Gerechtigkeit: Die Änderungen betonen die Zusammenarbeit zwischen Staaten und mit der WHO, z. B. durch einen koordinierten Finanzmechanismus, um Kernkapazitäten effizienter zu nutzen.
Unterstützung bei Gesundheitskrisen: Staaten erhalten stärkere Unterstützung durch die WHO bei der Untersuchung unklarer Krankheitsausbrüche. Die Veröffentlichung von Informationen über bedrohliche Ereignisse wird vereinfacht.
Regelungen zu Gesundheitsprodukten und Lieferketten: Der Entwurf umfasst WHO-Empfehlungen zur Verfügbarkeit und Verteilung relevanter Gesundheitsprodukte, zur Aufrechterhaltung essenzieller Lieferketten und zu Reisemöglichkeiten von Gesundheitspersonal.
Digitale Nachweise: Möglichkeit der Nutzung digitaler Nachweise in Gesundheitskrisen, um Maßnahmen effizienter zu gestalten.
Unveränderte nationale Souveränität: Der Entwurf betont, dass die staatliche Souveränität Deutschlands und nationale Gesundheitsschutzmaßnahmen unberührt bleiben. WHO-Empfehlungen bleiben unverbindlich.
Hintergrund und Ziel: Der Referentenentwurf reagiert auf die Lehren aus der COVID-19-Pandemie und anderen Gesundheitskrisen (z. B. Ebola, Affenpocken). Ziel ist es, die globale und nationale Vorbereitung auf Gesundheitskrisen zu verbessern, indem Labore, Krankenhäuser und Überwachungssysteme gestärkt werden. Die Änderungen sollen schnellere Informationsweitergabe und internationale Kooperation ermöglichen, um Pandemien einzudämmen oder zu verhindern.
Umsetzung in Deutschland: Die IGV sind bereits durch das Gesetz zu den IGV (2007) und das IGV-Durchführungsgesetz (2013) in deutsches Recht integriert. Die nationale IGV-Anlaufstelle ist das Gemeinsame Melde- und Lagezentrum (GMLZ) beim Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK), das bei übertragbaren Krankheiten mit dem Robert Koch-Institut (RKI) zusammenarbeitet.
Der Referentenentwurf ist ein Schritt zur Anpassung des deutschen Rechts an die 2024 beschlossenen IGV-Änderungen, um die globale Gesundheitssicherheit zu stärken, ohne die nationale Entscheidungsfreiheit einzuschränken.
Weiterführende Informationen:
Kabinett beschließt Anpassung der Internationalen Gesundheitsvorschriften | BMG
Redaktion: X-Press Journalistenbüro GbR
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