DKLM 2025: Überregulierung von IVDR bedroht Entwicklung neuartiger Diagnoseverfahren für schwere Kinderkrankheiten

von | Okt. 23, 2025 | Forschung, Gesundheit, Politik

Die Überregulierung im IVDR-Bereich bedroht die Entwicklung von neuartigen Diagnoseverfahren und somit von zielgerichteten Therapien an Deutschlands Universitätskliniken. Das wurde auf dem DKLM 2025 in Leipzig während der Vorträge innerhalb der Session “New Drugs for Precision Medicine” deutlich. Besonders betroffen ist die Entwicklung von hochkarätigen Biomarkern gegen teils lebensbedrohende Immundefekt-Erkrankungen bei Kindern. Diese Biomarker seien aber nötig, um nicht nur Diagnosen zu entwickeln, sondern am Ende auch die daraus resultierenden Therapien. Darauf wies Prof. Kaan Boztug in seinem Vortrag hin.

DGKL-Präsident wies während der Eröffnungsrede ebenfalls auf die IVDR-Problematik hin und betonte die Notwendigkeit, der Labormedizin die Forschungsmöglichkeiten nicht zu kappen.

Fundiert werden die Kritikpunkte vor allem durch die AWMF. Die Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften e.V. (AWMF) hat Anfang Oktober 2025 in einem Expertengutachten faktisch eine dringende Änderung der EU-Verordnung 2017/746 zu In-vitro-Diagnostika (IVDR) gefordert. Im Rahmen der vorzeitigen Zielauswertung gemäß Artikel 111 IVDR und Verordnung (EU) 2024/1860 plädiert die AWMF für eine Reduzierung bürokratischer Hürden bei Geräten, die ausschließlich in medizinischen Labors hergestellt und genutzt werden.

Prof. Kaan Boztug. Foto: Vlad Georgescu, X-Press Journalistenbüro GbR
Prof. Kaan Boztug. Foto: Vlad Georgescu, X-Press Journalistenbüro GbR

Das Gutachten, verfasst von DGKL-Mitglied Michael Vogeser (LMU Klinikum München) und Kollegen aus führenden deutschen Universitätskliniken, wurde im Fachjournal Clinical Chemistry and Laboratory Medicine (DOI: 10.1515/cclm-2025-0941) veröffentlicht. Die AWMF, die über 200.000 Ärztinnen und Ärzte in 184 Fachgesellschaften vertritt, sieht in Artikel 5(5) IVDR eine unverhältnismäßige Überregulierung von In-House-IVDs (IH-IVDs): Diese greifbaren Produkte werden nicht auf dem EU-Markt angeboten und unterliegen daher nicht dem regulatorischen Kern der IVDR (Art. 1(1)). Stattdessen sollten sie national geregelt werden, etwa durch die deutsche Medizinprodukte-Betreiberverordnung und die Richtlinie der Bundesärztekammer zur Qualitätssicherung laboratoriumsmedizinischer Untersuchungen.

Trotz Kritik lobt das Gutachten die strengere Regulierung kommerzieller IVDs für Patientensicherheit: Höhere Anforderungen an Notified Bodies, klinische Bewertung, EU-Referenzlabore und Post-Market-Surveillance seien Fortschritte gegenüber der alten IVDD. Die EUDAMED-Datenbank verspricht dem Paper zufolge Transparenz, ist jedoch verspätet. Übergangsfristen bis 2029 verhindern derzeit Lieferengpässe; eine abschließende Wirksamkeitsbewertung ist erst danach möglich.

Die Autoren fordern eine breite Diskussion und laden zur Stellungnahme im Journal ein.

Original Paper:

Expert opinion within the context of the targeted evaluation of Regulation (EU) 2017/746 on in vitro diagnostic medical devices pursuant to Article 111 and Regulation (EU) 2024/1860

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Redaktion: X-Press Journalistenbüro GbR

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