Antikörper aktiviert Immunsystem gegen Bauchspeicheldrüsenkrebs

von | Nov. 6, 2025 | Forschung, Gesundheit

Bauchspeicheldrüsenkrebs täuscht das Immunsystem mit einem Zucker-Mantel und entgeht so der Abwehr. Forschende der Northwestern University haben diesen Mechanismus entschlüsselt und einen monoklonalen Antikörper entwickelt, der die Tarnung blockiert. In Mäusen reaktivierte die Therapie Immunzellen, die Tumore angriffen und das Wachstum deutlich bremsten. Die Ergebnisse, die pünktlich zum Pancreatic Cancer Awareness Month am Montag in Cancer Research veröffentlicht wurden (DOI: 10.1158/0008-5472.CAN-25-0977), eröffnen einen vielversprechenden Ansatz gegen eine der tödlichsten Krebsarten.

Bauchspeicheldrüsenkrebs (Pankreaskarzinom) wird meist spät diagnostiziert, spricht kaum auf Chemotherapie an und hat eine Fünf-Jahres-Überlebensrate von nur 13 Prozent. Selbst moderne Immuntherapien, die bei anderen Tumoren Erfolge feiern, versagen hier oft. „Wir wollten wissen, warum das Immunsystem im Tumor stillsteht – und ob wir es wieder einschalten können“, erklärt Studienleiter Mohamed Abdel-Mohsen, Associate Professor für Infektionskrankheiten an der Northwestern University Feinberg School of Medicine.

Credits: Pixabay
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Zucker-Signal als „Nicht-angreifen“-Befehl

Das Team entdeckte: Gesunde Zellen präsentieren auf ihrer Oberfläche Sialinsäure, ein Zucker, der über Rezeptoren wie Siglec-10 an Immunzellen das Signal „Nicht angreifen“ sendet – ein natürlicher Schutzmechanismus. Bauchspeicheldrüsentumore kapern dieses System. Sie laden Sialinsäure auf das Oberflächenprotein Integrin α3β1 und binden damit an Siglec-10 auf Makrophagen und anderen Immunzellen. „Der Tumor verkleidet sich wie ein Wolf im Schafspelz“, beschreibt Abdel-Mohsen die Täuschung.

Antikörper hebt die Blockade auf

Die Forscher entwickelten monoklonale Antikörper, die genau diese Bindung zwischen siglec-10 und dem zuckerbeladenen Integrin verhindern. In Zellkulturen und zwei Mausmodellen erwachten Makrophagen aus ihrer Lähmung, fraßen Krebszellen (Phagozytose) und reduzierten das Tumorwachstum signifikant im Vergleich zu unbehandelten Kontrollen. „Wir haben Tausende Hybridome getestet, bis wir den richtigen Antikörper fanden“, berichtet Abdel-Mohsen. Die Entdeckung und Entwicklung dauerte sechs Jahre.

Kombinationstherapie als Ziel

Nächster Schritt: Der Antikörper soll mit bestehenden Chemotherapien und Checkpoint-Inhibitoren kombiniert werden. „Wir streben nicht nur eine Verlangsamung an, sondern eine vollständige Remission“, betont Abdel-Mohsen. Parallel wird ein Begleittest entwickelt, um Patienten zu identifizieren, deren Tumore auf diesem Zucker-Weg beruhen – eine Voraussetzung für personalisierte Therapie.

Die Northwestern-Wissenschaftler optimieren den Antikörper derzeit für den Menschen und planen erste Sicherheits- und Dosierungsstudien. Bei planmäßigem Verlauf könnte die Therapie in etwa fünf Jahren klinisch verfügbar sein.

Breiteres Potenzial

Der Mechanismus könnte über Bauchspeicheldrüsenkrebs hinaus relevant sein. „Wir prüfen, ob andere schwer behandelbare Tumore wie Glioblastome denselben Trick nutzen – und ob er auch bei nicht-onkologischen Erkrankungen eine Rolle spielt“, sagt Abdel-Mohsen. Sein Labor arbeitet im Feld der Glyko-Immunologie, die untersucht, wie Zucker das Immunsystem steuern.

Die Studie wurde unter anderem durch das Center for Human Immunobiology der Northwestern University und mehrere NIH-Grants finanziert. Abdel-Mohsen ist Mitglied des Robert H. Lurie Comprehensive Cancer Center.

Original Paper:

Targeting Interactions Between Siglec-10 and α3β1 Integrin Enhances Macrophage-Mediated Phagocytosis of Pancreatic Cancer | Cancer Research | American Association for Cancer Research


Redaktion: X-Press Journalistenbüro GbR

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