Darmbakterien können Multiple Sklerose verschlimmern

von | Dez. 16, 2025 | Forschung, Gesundheit

Bestimmte Darmbakterien können durch Ähnlichkeit mit der Schutzschicht von Nerven das Immunsystem irreführen und so den Verlauf von Multipler Sklerose verschlimmern. Forschende der Universität Basel haben diesen Mechanismus in Mäuseexperimenten nachgewiesen. Die Ergebnisse deuten auf neue Therapieansätze hin, die das Mikrobiom nutzen, um Autoimmunreaktionen zu mildern.

Bei Multipler Sklerose greift das Immunsystem irrtümlich die Myelinschicht der Nervenfasern an, was zu Symptomen wie Erschöpfung, Taubheitsgefühlen und Lähmungen führt. Forscher suchen seit Langem nach Ursachen dieses Fehlverhaltens. Neuere Ansätze richten den Blick auf die Darmflora, da Betroffene eine andere Zusammensetzung an Mikroorganismen im Darm aufweisen als Gesunde.

Die Darmflora beeinflusst das Immunsystem, doch die genauen Mechanismen bei Multipler Sklerose sind nicht vollständig verstanden. Ein Team um die Neurologin an der Universität Basel und am Universitätsklinikum Bonn untersuchte diese Rolle. Eine Hypothese besagt, dass entzündungsfördernde Darmbakterien mit Oberflächenstrukturen, die der Myelinschicht ähneln, das Immunsystem aktivieren. Dieses molekulare Mimikry führt offenbar dazu, dass Immunzellen sowohl die Bakterien als auch die körpereigene Myelinschicht angreifen.

In der Studie modifizierten die Forscher entzündungsfördernde Salmonella-Bakterien molekularbiologisch, sodass sie eine myelin-ähnliche Oberflächenstruktur trugen. Als Vergleich dienten unveränderte Bakterien derselben Art. In Mäusen, die als Modell für Multiple Sklerose dienen, beschleunigten die modifizierten Bakterien den Krankheitsverlauf deutlich stärker als die unveränderten. Entzündungsfördernde Bakterien allein wirken nur mäßig, doch in Kombination mit dem Mimikry aktivieren sie spezifische Immunzellen. Diese vermehren sich, wandern ins Nervensystem und zerstören die Myelinschicht.

Neuronen. Symbolbild. Credits: Pixabay
Neuronen. Symbolbild. Credits: Pixabay

Ähnliche Experimente mit E.-coli-Bakterien, die zur normalen Darmflora gehören und nicht entzündlich wirken, ergaben einen milderen Verlauf, wenn sie Myelin-ähnliche Strukturen trugen. Dies deutet darauf hin, dass Bakterien, die das Immunsystem beruhigen, es trainieren könnten, die Myelinschicht zu tolerieren. Die Studie zeigt, dass nicht nur die Zusammensetzung der Darmflora entscheidend ist, sondern auch Myelin-ähnliche Strukturen auf Bakterien den Krankheitsverlauf beeinflussen.

Die Erkenntnisse eröffnen Potenziale für mikrobiombasierte Therapien bei Multipler Sklerose. Modifizierte Bakterien könnten das Immunsystem so umprogrammieren, dass es die Myelinschicht nicht mehr angreift. Dies könnte eine ergänzende Behandlung zu bestehenden Therapien darstellen. Die Ergebnisse warnen jedoch vor Risiken: Einige Krebstherapien stimulieren das Mikrobiom, um das Immunsystem gegen Tumore zu mobilisieren. Solche Ansätze könnten ein entzündliches Milieu schaffen, das molekulares Mimikry begünstigt und Autoimmunkrankheiten auslöst.

Die Studie entstand in Kooperation mit dem Universitätsklinikum Bonn, dem Cluster of Excellence Immunosensation2 der Universität Bonn, dem Deutschen Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen und weiteren Institutionen. Finanziert wurde sie unter anderem durch die Stiftung Propatient des Universitätsspitals Basel, den Schweizerischen Nationalfonds und das Schweizer Staatssekretariat für Bildung, Forschung und Innovation. Die Publikation erschien in der Fachzeitschrift Gut Microbes.

Original Paper:

Lena K. Siewert, Kristina Berve et al.
Antigen-specific activation of gut immune cells drives autoimmune neuroinflammation
Gut Microbes (2025), doi: 10.1080/19490976.2025.2601430


Redaktion: X-Press Journalistenbüro GbR

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