Studie zu Anorexia nervosa: Epigenetische Effekte bleiben trotz Gewichtszunahme aus

von | Sep. 26, 2025 | Forschung, Gesundheit

Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Universität Duisburg-Essen haben in einer aktuellen Untersuchung Zweifel an einer verbreiteten Annahme zur Rolle epigenetischer Prozesse bei der Essstörung Anorexia nervosa aufgeworfen. Obwohl Patientinnen und Patienten während einer stationären Behandlung innerhalb weniger Monate erheblich an Gewicht zunehmen, sind nach Angaben der Forscher keine einheitlichen Veränderungen in den DNA-Methylierungsmustern nachweisbar. Die im Fachjournal Scientific Reports veröffentlichte Studie widerspricht damit der Hypothese, dass eine Gewichtszunahme unmittelbar epigenetische Umschaltungen auslöst.

Die Anorexia nervosa ist eine schwere psychische Erkrankung, die durch starkes Untergewicht gekennzeichnet ist und in aller Regel mit einer restriktiven Nahrungsaufnahme einhergeht. Während über genetische Risikofaktoren zunehmend Klarheit besteht, ist der Beitrag epigenetischer Mechanismen wie der DNA-Methylierung bislang nur unzureichend verstanden. Epigenetik beschreibt chemische Modifikationen an der Erbsubstanz, die zwar nicht die Abfolge der DNA selbst verändern, aber die Aktivität von Genen regulieren. Da diese Prozesse durch Umweltfaktoren wie Ernährung oder Stress beeinflusst werden, galten sie als mögliches Bindeglied zwischen äußeren Bedingungen und biologischen Krankheitsmechanismen.

Prof. Dr. Anke Hinney (li) und Dr. Luisa Rajcsanyi (re) bei der Auswertung von Methylierungsmustern | Quelle: AG Hinney | Copyright: (c) UDE
Prof. Dr. Anke Hinney (li) und Dr. Luisa Rajcsanyi (re) bei der Auswertung von Methylierungsmustern | Quelle: AG Hinney | Copyright: (c) UDE

Ein Schwerpunkt der Untersuchung lag auf dem NR1H3-Gen, das in der Vergangenheit widersprüchliche Befunde geliefert hatte. Während frühere Analysen teils eine verstärkte, teils eine verminderte Methylierung beschrieben, fanden die Forscherinnen in Essen in einer umfassenderen Kohorte mit 189 Betroffenen und 67 Kontrollen keine Veränderungen. Auch bei drei Patientinnen, die zu Beginn und nach Ende ihres stationären Aufenthalts untersucht wurden, blieben die Methylierungsmuster trotz erheblicher Gewichtszunahme stabil. Auffällig waren hingegen erhebliche individuelle Unterschiede zwischen den Probandinnen und Probanden, ohne dass sich ein gemeinsames Muster ableiten ließ.

Nach Einschätzung der Forschenden deuten die Ergebnisse darauf hin, dass die DNA-Methylierung kurzfristig keine entscheidende Rolle in der Regulation des Körpergewichts bei Anorexia nervosa spielt. Möglich sei jedoch, dass subtile Veränderungen durch die aktuell verfügbaren Methoden nicht erfasst werden konnten oder sich epigenetische Effekte erst langfristig bemerkbar machen. Zudem könnten unterschiedliche Gewebearten verschiedene Ergebnisse ergeben, da die Methylierungsmuster stark zelltypabhängig sind.

Die Arbeit liefert damit wichtige Hinweise für ein differenzierteres Verständnis der biologischen Grundlagen der Essstörung. Anstelle einer unmittelbaren Kausalität zwischen Gewichtszunahme und epigenetischer Veränderung verdeutlicht die Studie die Komplexität des Zusammenspiels biologischer, psychologischer und sozialer Faktoren und weist zugleich auf die Grenzen derzeitiger epigenetischer Forschung hin.

Original Paper:

No indications of weight gain associated DNA methylation changes in patients with anorexia nervosa | Scientific Reports


Redaktion: X-Press Journalistenbüro GbR

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