Frauen in Führungspositionen medizinischer Fachgesellschaften deutlich unterrepräsentiert

Frauen sind in den Vorständen und Präsidien medizinischer Fachgesellschaften in Deutschland trotz ihres steigenden Anteils im Beruf weiterhin stark unterrepräsentiert. Eine Analyse der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI) zeigt, dass nur rund ein Drittel der Führungspositionen von Frauen besetzt ist, obwohl mehr als 60 Prozent der Medizinstudenten weiblich sind. Die Ergebnisse, open access in der Deutschen Medizinischen Wochenschrift veröffentlicht, fordern einen Kulturwandel durch Mentoring, transparente Verfahren und mehr Sichtbarkeit auf Kongressen.
Die Studie untersuchte 183 Fachgesellschaften der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF) und zählte insgesamt 1.460 Vorstandsmitglieder. Der Frauenanteil in Vorständen und Präsidien liegt bei 32,6 Prozent. Besonders auffällig ist die geringe Präsenz auf höchsten Ebenen: Nur 47 der 183 Gesellschaften, also 25,7 Prozent, werden von einer Präsidentin geführt, während 72 Frauen, oder 39,3 Prozent, als Vizepräsidentinnen agieren. Lediglich 39 Gesellschaften, das sind 21,3 Prozent, weisen einen Frauenanteil von mindestens 50 Prozent in ihren Führungsgremien auf. Diese Zahlen verdeutlichen ein anhaltendes Ungleichgewicht, das durch männerdominierte Netzwerke, intransparenter Auswahlprozesse und fehlende Vorbilder verstärkt wird.

Die DIVI, die selbst aus dieser Analyse Impulse für interne Veränderungen zog, hat bereits Maßnahmen ergriffen. In ihren Sektionen sind nun 14 Frauen und 18 Männer als Sprecher tätig, was ein nahezu ausgewogenes Verhältnis schafft. Formate wie „Empowered Women in Medicine“ und paritätisch besetzte Gremien in der Jungen DIVI fördern die Beteiligung. Auf dem jüngsten Kongress startete ein Mentoring-Programm, das von Teilnehmern gut aufgenommen wurde. Zudem werden Veranstaltungen wie das Präsidentensymposium und das geplante Bürgerforum im Dezember bewusst geschlechtergerecht besetzt. Dennoch greift die DIVI sich selbst ans eigene Schopf: Ihr Präsidium umfasst zehn Männer und zwei Frauen, was den Weg zur Parität als langfristig markiert.
Strukturelle Hürden wie traditionelle Rollenbilder und doppelte Belastungen erschweren Karrieren weiblicher Ärztinnen. Die DIVI plädiert für umfassende Initiativen: Mentoring-Programme, familienfreundliche Bedingungen, transparente Wahlen und aktive Einbindung auf Kongressen. Eine Frauenquote allein reicht nicht; stattdessen sind vielfältige Ansätze auf allen Ebenen erforderlich, um engagierte Fachkräfte zu halten und die Expertise von Frauen voll auszuschöpfen. Die Analyse, erstellt von einem interdisziplinären Team inklusive DIVI-Vertretern und einer AWMF-Expertin, unterstreicht die Verantwortung aller Gesellschaften für Geschlechtergerechtigkeit.
Die Ergebnisse regen zu Podiumsdiskussionen an, etwa auf dem DIVI-Kongress, wo Themen wie Frauenförderung und Karrierewege mit Vertretern aller Generationen und Geschlechter beleuchtet werden. Die DIVI setzt die Förderung von Frauen seit Jahresbeginn als Priorität und fordert andere Fachgesellschaften auf, ähnliche Schritte zu unternehmen. Dieses Positionspapier dient als Spiegel für das gesamte System und könnte den Einstieg in breite Reformen darstellen.
Original Paper zum Download (PDF)
Redaktion: X-Press Journalistenbüro GbR
Gender-Hinweis. Die in diesem Text verwendeten Personenbezeichnungen beziehen sich immer gleichermaßen auf weibliche, männliche und diverse Personen. Auf eine Doppel/Dreifachnennung und gegenderte Bezeichnungen wird zugunsten einer besseren Lesbarkeit verzichtet.