REMEDY-Projekt will Mikrobiom-Fassade für Gebäude entwickeln

von | Mai 21, 2025 | Forschung, Nachhaltigkeit, Nicht kategorisiert

Ein internationales Forschungsteam unter Beteiligung der Technischen Universität Graz arbeitet daran, Gebäudefassaden durch mikrobiologische Farbe zu revolutionieren. Im Projekt REMEDY entwickelt das Konsortium eine Spezialtinte, die lebende Mikroorganismen, Pilze und Algen enthält, um Hauswände funktional zu machen. Diese „lebenden Tattoos“ sollen Fassaden vor Verwitterung schützen, CO2 speichern und Schadstoffe aus der Luft filtern. Das vierjährige Vorhaben, finanziert vom European Innovation Council mit knapp drei Millionen Euro, vereint Expertise aus Mikrobiologie, Materialwissenschaft und Drucktechnologie, um nachhaltige Lösungen für die Architektur von morgen zu schaffen.

Gebäudefassaden sind üblicherweise leblose Oberflächen ohne zusätzliche Funktion. Das REMEDY-Projekt zielt darauf ab, dies zu ändern, indem es Mikroorganismen in eine druckfähige Tinte integriert, die auf Materialien wie Beton, Holz oder Metall aufgetragen werden kann. Die ausgewählten Mikroben, darunter Pilze und Algen, sollen gemeinsam ein stabiles Mikrobiom bilden, das mehrere Aufgaben erfüllt: Es schützt Oberflächen vor Umwelteinflüssen, bindet Kohlendioxid und reinigt die Luft von Schadstoffen. Laut Schätzungen der Europäischen Umweltagentur bieten die kommenden 25 Jahre in der EU eine Fläche von 9,4 Milliarden Quadratmetern an Fassaden und Dächern, die renoviert oder neu gebaut werden. Diese immense Fläche stellt ein enormes Potenzial dar, um mikrobiologische Gemeinschaften einzusetzen, ohne wertvolle unbebaute Flächen zu beanspruchen.

An der Universität Ljubljana wird dazu intensiv nach geeigneten Mikroorganismen geforscht, die in der Lage sind, eine widerstandsfähige Gemeinschaft zu bilden. Ziel ist es, verschiedene Mikroben mit komplementären Eigenschaften zu kombinieren, die nicht nur gegen schädliche Keime bestehen, sondern auch kleinere Risse in der Fassade selbstständig reparieren können. Diese mikrobiellen Gemeinschaften sollen robust genug sein, um unter unterschiedlichen klimatischen Bedingungen zu überleben und ihre Funktionen langfristig zu erfüllen. Die Entwicklung eines solchen nützlichen Mikrobioms für Gebäude erfordert fundierte Kenntnisse in der Mikrobiologie und synthetischen Biologie, die im Projekt mit innovativen Ansätzen der Materialwissenschaft verknüpft werden.

Verschiedene Pilzarten, isoliert von Gebäudefassaden in der slowenischen Küstenstadt Izola. | Quelle: Ana Gubenšek | Copyright: Ana Gubenšek
Verschiedene Pilzarten, isoliert von Gebäudefassaden in der slowenischen Küstenstadt Izola. | Quelle: Ana Gubenšek | Copyright: Ana Gubenšek 

Ein zentraler Bestandteil des Projekts ist die Entwicklung einer Tinte, die die Mikroorganismen nicht nur enthält, sondern auch deren Überleben während des Druckprozesses sicherstellt. An der TU Graz wird diese Aufgabe am Institut für Strömungslehre und Wärmeübertragung bearbeitet. Die Forschenden setzen auf die Inkjet-Drucktechnologie, die eine präzise und schnelle Applikation der Tinte ermöglicht. Allerdings stellt die Größe der Mikroorganismen eine Herausforderung dar: Mit mehreren Mikrometern oder sogar größeren Clustern sind sie deutlich größer als die Nanopartikel, die üblicherweise im Inkjet-Druck verwendet werden. Um dies zu bewältigen, arbeiten die Grazer Wissenschaftler mit dem slowakischen Unternehmen Qres Technologies und dem österreichischen Beschichtungsspezialisten Tiger Coatings zusammen, um die Drucktechnologie entsprechend anzupassen. Ziel ist es, eine Tinte zu entwickeln, die die Mikroben schützt und gleichzeitig die Anforderungen industrieller Druckprozesse erfüllt.

Das Projekt verfolgt nicht nur funktionale, sondern auch ästhetische Ziele. Durch die Integration lebender Mikroorganismen soll ein personalisiertes Design in der Architektur ermöglicht werden, das Gebäude individueller und nachhaltiger macht. Die Kombination aus mikrobiologischer Funktionalität und ansprechendem Erscheinungsbild könnte die Bauweise der Zukunft prägen. Dennoch stehen die Forschenden vor erheblichen Herausforderungen. Die größte Hürde ist die Reproduzierbarkeit des Prozesses, da lebende Tinten einem ständigen Wandel unterliegen und industrielle Druckverfahren nur minimale Schwankungen tolerieren. Es gilt, Mikroorganismen zu finden, die nicht nur in der Tinte, sondern auch unter dem mechanischen Stress des Druckprozesses überleben, und gleichzeitig eine Tinte zu entwickeln, die stabil und skalierbar ist.

Die Forschenden sind optimistisch, innerhalb der vierjährigen Projektlaufzeit sowohl die passende Tinte als auch die angepasste Drucktechnologie zu entwickeln. Der interdisziplinäre Ansatz, der Mikrobiologie, Materialwissenschaft und Ingenieurwissenschaften vereint, ist ein Schlüssel zum Erfolg. Neben der TU Graz und der Universität Ljubljana sind das Forschungsinstitut InnoRenew CoE in Slowenien sowie Unternehmen wie Qres Technologies und Tiger Coatings beteiligt. Gemeinsam wollen sie die Grundlagen schaffen, um mikrobiologische Fassadenfarben in die Praxis zu überführen. Die Finanzierung durch den European Innovation Council unterstreicht die Innovationskraft des Projekts und dessen Relevanz für die europäische Forschung und Wirtschaft.

Das REMEDY-Projekt könnte demnach einen Wendepunkt in der Bauindustrie markieren. Lebende Fassaden bieten die Chance, Gebäude nicht nur funktionaler, sondern auch ökologisch wertvoller zu gestalten. Durch die Speicherung von CO2 und die Filterung von Schadstoffen könnten sie einen Beitrag zum Klimaschutz leisten, während sie gleichzeitig die Lebensdauer von Gebäuden verlängern. Dennoch bleibt abzuwarten, ob die komplexen Anforderungen an die Tinte und die Mikroorganismen in einem industriellen Maßstab erfüllt werden können. Die nächsten Jahre werden zeigen, ob die Vision von lebenden Gebäudefassaden Realität wird.

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Redaktion: X-Press Journalistenbüro GbR

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