Neues Antibiotikum: Per Selbstmord gegen Gonorrhö

Forschende der Universitäten Konstanz und Wien haben eine neue Klasse von Antibiotika entdeckt, die selektiv gegen Neisseria gonorrhoeae wirken. Auch multiresistente Varianten des Erregers werden durch die neuen Wirkstoffe abgetötet. Diese Art der Bekämpfung könnte in angepasster Form auch gegen andere Erreger eingesetzt werden.
Die überraschenden Befunde des Forscherteams unter der Leitung von Christof Hauck, Professor für Zellbiologie an der Universität Konstanz und Thomas Böttcher, Professor für Microbial Biochemistry an der Universität Wien, wurden jetzt im Wissenschaftsmagazin “Nature Microbiology” veröffentlicht.

Die Teams von Hauck und Böttcher konnten neue Wirkstoffe aus der Gruppe der Alkyl-Quinolone (AQs) identifizieren, die selbst solche multiresistenten Gonokokken abtöten können. AQs sind eigentlich Naturstoffe, die von manchen Bakterien produziert werden, um sich in der Natur gegen andere Bakterien zur Wehr zu setzen. Getreu dem Motto “Der Feind meines Feindes ist mein Freund” bauten die Wissenschaftler diese Naturstoffe im Labor nach und stellten auf synthetischem Weg leicht veränderte Varianten her. “Tatsächlich zeigte sich bei einem dieser neuen AQ-Moleküle eine bislang einzigartige Wirkung: diese chemische Verbindung war in der Lage, Gonokokken abzutöten, aber hatte keinerlei negativen Einfluss auf andere Bakterien oder menschliche Zellen”, sagt Zellbiologe Hauck. Die Ursache für diesen verblüffenden Effekt konnten die Wissenschaftler nun mit einem interdisziplinären Forschungsansatz aufklären, der synthetische und organische Chemie mit genetischen und biochemischen Analysen sowie aufwendigen präklinischen Tiermodellen verbindet.
Wie sich zeigte, aktiviert dieses neuartige Antibiotikum einen in den Gonokokken bereits vorhandenen Selbsttötungsmechanismus. “Solche suicide-Programme, die auf sogenannten Toxin-Antitoxin-Systemen beruhen, kennt man zwar auch von anderen Mikroorganismen, aber mit unserem AQ-Wirkstoff haben wir genau die Achillesferse der Gonokokken getroffen”, so Ann-Kathrin Mix, die Erstautorin der Studie und Doktorandin in der Arbeitsgruppe von Hauck. Das neue Antibiotikum sorgt für den Abbau des Antitoxins, sodass der Toxin-Teil frei wird und seine todbringende Wirkung gegenüber diesen Bakterien entfalten kann. Da das betroffene Toxin-Antitoxin-System fast ausschließlich bei Gonokokken vorkommt, werden andere Bakterien von diesem neuen Antibiotikum nicht geschädigt. Im Gegensatz dazu lassen sich selbst multiresistente Gonokokken-Varianten mit dem AQ-Wirkstoff eliminieren.
Ähnliche Toxin-Antitoxin-Systeme finden sich auch bei anderen Erregern. Deshalb, so erwarten die Forschenden, könnte diese Art der Bekämpfung in angepasster Form auch gegen andere Erreger eingesetzt werden. “Somit eröffnen die gerade publizierten Erkenntnisse einen neuen und innovativen Weg, wie Problemkeimen begegnet werden kann, bevor unsere Möglichkeiten zur antibiotischen Behandlung ausgeschöpft sind”, erklärt Hauck die Bedeutung dieser Arbeit für die Infektionsforschung.
Original Paper:
A quinolone N-oxide antibiotic selectively targets Neisseria gonorrhoeae via its toxin–antitoxin system | Nature Microbiology
Lesen Sie auch:
Durchbruch: Wirkstoff HY-133 kann multiresistente Bakterien bekämpfen – MedLabPortal
Redaktion: X-Press Journalistenbüro GbR
Gender-Hinweis. Die in diesem Text verwendeten Personenbezeichnungen beziehen sich immer gleichermaßen auf weibliche, männliche und diverse Personen. Auf eine Doppel/Dreifachnennung und gegenderte Bezeichnungen wird zugunsten einer besseren Lesbarkeit verzichtet.